Menschenwürde und Lebensqualität


Moderne biomedizinische Technologien wie Präimplantationsdiagnostik und Stammzellforschung bieten Möglichkeiten, die tief verankerte, intuitive Wertvorstellungen in Frage stellen und uns deshalb dazu zwingen, über einen angemessenen, ethisch verantwortlichen Umgang mit solchen Technologien nachzudenken.

Wenn man die Grundlagen aktueller biopolitischer Kontroversen analysiert, stößt man auch auf die Frage nach der möglichen Akzeptanz der Lebensqualitätsbewertung von menschlichem Leben und der Vereinbarkeit von Lebensqualitätsbewertungen und Menschenwürde. In vielen biopolitischen Diskussionen teilen die Kontrahenten eine zumeist stillschweigende Annahme, die man die Unvereinbarkeitsannahme nennen kann: Jede Art der Lebensqualitätsbewertung ist mit dem Schutz der Menschenwürde unvereinbar.

Für diese These sprechen vor allem zwei außerordentlich gewichtige Gründe: Die nationalsozialitischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit haben uns eine mörderische Willkür der Unterscheidung lebenswerten und nicht lebenswerten Lebens gezeigt und diese Verbrechen lassen jede Art der Lebensqualitätsbewertung ethisch verwerflich erscheinen. Lebensqualitätsbewertungen scheinen auch mit dem Art 1 des Grundgesetzes unvereinbar zu sein, welcher der Menschenwürde einen absoluten, nicht gegen andere Güter abwägbaren Rang verleiht.

Möglicherweise ist die Unvereinbarkeitsannahme in der oben genannten Form jedoch zu grob und lässt den Unterschied verschiedener Arten der Lebensqualitätsbewertungen unberücksichtigt. M. Quante unterscheidet in seinem Beitrag „Wider die Unverträglichkeit von Menschenwürde und Lebensqualitätsbewertung“ verschiedene Arten von Lebensqualitätsbewertung und verteidigt die folgenden drei Thesen:
 
(1) Lebensqualitätsbewertungen und die ethischen Urteile, die auf ihnen beruhen, sind  ethisch akzeptabel, wenn wir unsere Argumente auf ein angemessenes Verständnis von Lebensqualität stützen.

(2) Lebensqualitätsbewertungen, die auf einem angemessenen Verständnis von Lebensqualität basieren, sind mit Menschenwürde (im starken Sinne) vereinbar, wenn wir ein angemessenes Verständnis von Menschenwürde zugrunde legen, d.h. ein Verständnis von Menschenwürde, das berücksichtigt, dass wir in einer säkularen und pluralistischen Gesellschaft leben.

(3) Wenn man die Konzepte der Lebensqualitätsbewertung und der Menschenwürde auf angemessene Weise interpretiert, dann können beide zur Rechtfertigung eines vernünftigen Pluralismus herangezogen werden, der für die Gesellschaft, in der wir leben, ethisch angemessen ist.


<Download zum Thema: Quante Würde und Lebensqualitätsbewertung >